Kürzlich beschrieb mein Kollege Andreas W. Schmid an dieser Stelle, was dem vielfältig interessierten Kolumnisten beim Schreiben alles droht: Höchstleistung sei verlangt und ständig besteht die Gefahr des Bluthochdrucks, Schreibstaus, gar Burnouts. Ein Mentaltrainer versprach Abhilfe – am Schluss hat nur noch geholfen, den Laptop im hohem Bogen wegzuwerfen.
Mein Vorschlag an ihn und alle, welche gehetzt durch den Tag eilen: Kochen Sie selbst, langsam und sinnlich. Selbstverständlich habe auch ich ab und zu Tage, an denen es nicht nach Plan läuft. Etwas verheit oder gelingt nicht auf Anhieb, man findet nicht, was man suchte oder etwas wird versäumt und dann fehlt die Zeit. Aber ich bin sicher: Gehetzt essen und Fast Food ist dann nicht die Lösung.
Jetzt hilft nur genussvolle Entschleunigung: wir kochen einen Risotto. Zuerst entledigen wir uns nervender Technik: keine Handys, die ständig surren oder gar – wie ich kürzlich gesehen habe – daran erinnern, ab wann man essen oder fasten soll. Keine Fitness-Tracker, die nur Rastlosigkeit fördern. Keine Smart- und Digitaluhren, die in aufwendigen Darstellungen visualisieren, wie die Sekunden verstreichen. Sondern ein gescheites Holzbrett und ein scharfes Messer, gescheite Töpfe (ich bin ein grosser Fan von Emaille-Pfannen), eine Flasche Weisswein und eine mechanische Uhr, denn verkochen soll der Risotto ja trotz allem nicht. Ziel ist es, dass der Risotto die sämige Schlotzigkeit und den Biss hat, den die Italiener al dente nennen. Das gelingt nur, wenn man sich mit Hingabe und Konzentration diesem Gericht widmet.
Es gilt ein paar Grundregeln zu beachten. Die erste Herausforderung liegt in der Wahl des Reises. Die bekanntesten Sorten sind Arborio, Vialone und Carnaroli, die teilweise im Tessin, aber vorwiegend in der Poebene und im Piemont angebaut werden. Arborio ist der meistverkaufte Risottoreis, der auch am meisten Stärke beinhaltet. Dadurch neigt Arborio allerdings mehr zum Verkleben als der Vialone, welcher in der Konsistenz meistens cremiger bleibt. Arborio ist also die richtige Wahl, wenn Sie Arancini machen wollen – die gefüllten, frittieren Reisbällchen, die Sie das letzte Mal in Sizilien gegessen haben. Die teuerste, aber für gute Risotti optimale Wahl ist der Carnaroli. Er ist ein grosskörniger Risottoreis der Kategorie Superfino. Seine Körner sind gross und lang mit einer schlanken Perle seitlich der Mitte und einer weissen Fruchtwand.
Das Grundrezept ist einfach: Für zwei Personen in wenig Butter oder Olivenöl eine halbe, sehr fein gehackte Zwiebel anziehen lassen und danach zwei knappe Tassen Risotto glasig werden lassen. Dann mit einem Glas guten, trockenen Weisswein ablöschen. An diesem Punkt die Hitze reduzieren und die Flüssigkeit einkochen lassen. Die auf der Flamme nebenan vor sich hin köchelnde Fleischbouillon nach und nach zugiessen. Selbstverständlich hätten Sie es verdient, einen Risotto zu essen, bei dem auch die Bouillon selbst gemacht ist. Ich verstehe aber, dass Sie hierfür nach dem Feierabend eines geschäftigen Tages vielleicht keine Zeit haben. Verwenden Sie aber dennoch nicht einfach einen Würfel, in dem Dinge zusammengepresst wurden, welche Sie nicht essen wollen. Es gibt gute Fonds oder Extrakte, die eine passable Bouillon ergeben.
Von der Brühe immer nur so viel hinzugeben, dass der Reis gerade bedeckt ist. Dabei bei schwacher bis mittlerer Hitze und unter ständigem Rühren den Reis langsam al dente köcheln. Mit ständig ist nicht oft, sondern immerfort gemeint: nur so lässt sich dem Reiskorn die Stärke entlocken, welche für die Sämigkeit so unabdingbar ist. Das dauert je nach Reissorte bis zu 20 Minuten. Sollten Sie auf die Idee kommen, statt ständig zu rühren, den Thermomix zu programmieren, ist die ganze Entschleunigungstherapie für nichts.
Risotto ist eines der ganz wenigen italienischen Gerichte, wenn nicht gar das einzige, wo Sie Butter verwenden sollten. Sobald der Risotto gar ist, ziehen Sie die Pfanne vom Herd, fügen grosszügig Butter hinzu und verrühren sie mit dem vorher frisch geriebenen Parmesan. Geben Sie dem Risotto jetzt zugedeckt noch zwei Minuten Zeit, um zur Ruhe zu kommen.
Eine italienische Weissheit besagt: «Der Risotto wartet nicht auf die Gäste, die Gäste warten auf den Risotto.» Im besten Fall sitzen Sie also in nächster Nähe der Kochstelle und trinken schon mal ein Glas Weisswein. Spätestens jetzt wissen Sie, wieso Sie auch zum Ablöschen einen guten Wein verwendet haben. Und jetzt sollte es auch mit dem Entspannen klappen.