Wenn man sich ansieht, welche Restaurants in letzter Zeit aufgemacht haben, könnte man meinen, wir seien nicht in Basel, sondern in Rom. Zu einem bereits bestehenden Anteil von gefühlten 75 Prozent italienischen Restaurants sind nochmals einige Ristoranti, Pizzerie und Osterie hinzugekommen. In bester Lage in der Innenstadt buhlen unzählige Lokale um die Gunst von Pizza- und Pasta-essenden Gästen. Es gibt Strassenabschnitte – auch in den Aussenquartieren – da trennen nicht einmal hundert Meter das eine italienische Restaurant vom anderen. Ausgelobt werden sie alle in den farbigsten Worten: die einen interpretieren Traditionen neu und kochen dennoch wie eh und je, die anderen haben, wenn nicht die beste dann die grösste oder längste Pizza.
Wem fehlt hier eigentlich die Fantasie? Sind es die Gastronomen, denen einfach nichts mehr Neues in den Sinn kommt? Die sich freuen, dass sie für eine Pizza Margherita Warenkosten von 1.50 Franken haben? Selbst wenn man Miete, Lohn- und Nebenkosten einrechnet, gibt es wohl kein Gericht, dass eine bessere Marge aufweist als der Fladen, der ursprünglich zu Ehren der Frau von König Umberto I erfunden wurde.
Noch besser wird die Rechnung für den gewieften Wirt, wenn Sie sich dazu einen Salat bestellen, welcher vorgewaschen und gerüstet vom Grosshandel angeliefert wird und Sie – als ob es keine anderen Traubensorten mehr gäbe – eine Flasche Primitivo bestellen, die im Einkauf 3.50 Franken kostet und auf Ihrer Rechnung mit 45.- Franken zu Buche schlägt.
Der Espresso zum Schluss ist dann leider nicht mehr so gut wie die Pizza und der süffige Wein: eine dünne Crema und bitter-verbrannt im Geschmack. Denn leider ist der Buffetbursche an der Theke nicht ausgebildet an der Siebträgermaschine. Er weiss über Kaffee lediglich, auf welchen Knopf er drücken muss und dass die Maschine keinen Kaffee macht, wenn er ihn vorher nicht auf der integrierten und vernetzten Kasse getippt hat.
Apropos vernetzte Kasse: haben Sie je versucht etwas zu bestellen, was nicht auf der Karte ist, oder ein Gericht in einer anderen Kombination und sind gescheitert? Das liegt meistens nicht daran, dass der Cameriere oder Pizzaiolo nicht alles für Sie tun würden. Es liegt daran, dass nicht bestellt, gekocht geschweige denn serviert werden kann, was nicht getippt werden konnte. Die Servicefachangestellte – also eigentlich die Studentin im Stundenlohn – hat ja schliesslich auch nicht mehr einen Bestellblock, sondern ein Tablet in der Hand.
Aber in den meisten Fällen ist das bei dieser Art Restaurants auch kaum ein Problem: die Speisekarte wurde einmal geschrieben, in fancy Design gestaltet und in grosser Auflage – noch praktischer gleich als Tischset – gedruckt. So kommt auch niemand auf die Idee, dass in diesem Lokal irgendetwas Saisonales oder Abwechselndes angeboten wird. Ruccola, ohne den ja offenbar kein italienisches Gericht mehr auskommt und der von der Fantasielosigkeit ablenken will, wächst im Treibhaus ja das ganze Jahr über.
Dass diese Rechnung für den Gastronomen aufgeht, hat nur damit zu tun, dass er damit rechnen kann, dennoch eine volle Gaststube zu haben. Wir Gäste und Konsumenten bestimmen, welche Restaurants, welche Konzepte und welche Angebote erfolgreich sind. Offenbar gelüstet es uns nicht mehr nach Vielfalt und Abwechslung, haben wir keine Lust Neues zu entdecken und freuen uns, wenn alles immer so schmeckt, wie wir es bereits kennen. Wir sind anspruchslos geworden. Essen wie in einer Netflix-Serie: wir kennen die Protagonisten, wir wissen um was es geht, der Handlungsstrang ist vorgezeichnet. So wie Netflix die Sehgewohnheiten der Abonnenten perfekt auswertet und sein Angebot danach ausrichtet, macht es auch der Wirt.
Gleichzeitig werden auf Verbandsanlässen, in Zeitungen und Kommentarspalten ausbleibende Gäste, Margendruck und hohe Kosten beklagt. Ganz aktuell sind es wieder fehlende Parkplätze oder die autofreie Innerstadt, die angeblich die Gäste abhalten zu kommen. Doch wenn es überall gleich schmeckt, wen wundert es dann, dass die Gäste zu Hause bleiben? Gleichzeitig haben nämlich in den Buchhandlungen Kochbücher Hochkonjunktur. Zu Hause wird mit Liebe und Hingabe experimentiert, und es werden neue Rezepte ausprobiert. Es wäre schön, wenn man das im Restaurant auch wieder mal tun könnte: etwas essen, was man noch nicht kennt.